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Förderung für
den Waldbesitz

Neue Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten „EUDR“

13.06.24Waldblatt

Stand 06.06.2024

„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Diese Aussage frei nach Sokrates trifft auch auf den aktuellen Kenntnisstand zum EUDR zu. Es ist wichtig zu betonen, dass dies den Stand der Informationen zum Zeitpunkt der Artikelverfassung widerspiegelt. Neue Entwicklungen können jederzeit eintreten und die hier gemachten Aussagen hinfällig machen. Angesichts der Komplexität des Themas können im Folgenden nur die wichtigsten Punkte angesprochen werden.

In früheren Jahrhunderten wurden große Teile der mitteleuropäischen Wälder gerodet, so dass nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Waldfläche übrigblieb. Seit der Einführung der nachhaltigen Forstwirtschaft hat sich dies jedoch grundlegend geändert und die Entwaldung findet heute vor allem in den Ländern des globalen Südens statt. Die negativen Folgen des Waldverlustes für Klima, Biodiversität, Wasserhaushalt und die lokale Bevölkerung sind bekannt und vielfach beschrieben.

Neben der Entwaldung für landwirtschaftliche Produkte wie Soja, Palmöl und Viehzucht und dem entsprechenden Verlust an Holzvorräten tragen politische Maßnahmen zu einer stetig steigenden Nachfrage nach Holz bei. Als Ersatz für fossile Rohstoffe wird in vielen Bereichen verstärkt auf Holz gesetzt, welches gleich mehrere Ressourcenprobleme zu lösen verspricht, gleichzeitig aber die Gefahr einer Übernutzung der vorhandenen Wälder heraufbeschwört.

Vor diesem Hintergrund hat die EU am 31. Mai 2023 die neue Verordnung (EU) 2023/1115 (EUDR) verabschiedet. Sie regelt die Bereitstellung und Ausfuhr von bestimmten Gütern und Erzeugnissen, die im Zusammenhang mit Entwaldung und Waldschädigung stehen, und hebt die EU-Holzhandelsverordnung (EU) Nr. 995/2010 (EUTR) auf.

Die Verordnung ist auch eine Antwort auf die internationalen Verpflichtungen der EU zum Schutz der Wälder (z.B. das Pariser Abkommen zum Klimawandel) und soll die durch die 2013 in Kraft getretene EUTR entstandenen Lücken schließen. So ist zum Beispiel die Legalität des Holzeinschlags im Ursprungsland noch keine Garantie dafür, dass dieser auch in sozial und ökologisch nachhaltiger Weise erfolgt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Herkunftsländer zur Erleichterung des Zugangs ihrer Produkte zum EU-Markt die gesetzlichen Standards bewusst absenken. Die EUDR behält die Illegalität als Kriterium bei, verlangt aber zusätzlich von den Unternehmen, dass sie sicherstellen, dass ihre Produkte frei von Entwaldung sind, unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben des jeweiligen Herkunftslandes.

Die EUDR in Kürze

Die EUDR tritt am 30. Dezember 2024 in Kraft und ersetzt die EUTR. Die EUDR umfasst nun auch Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Kautschuk, Soja und Holz sowie Produkte, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder aus ihnen hergestellt wurden.

Es wird Unternehmen verboten, die genannten Rohstoffe und Produkte auf den EU-Markt zu bringen, wenn sie nicht entwaldungsfrei sind, keine Sorgfaltserklärung vorliegt und sie nicht in Übereinstimmung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des Produktionslandes hergestellt wurden. Kleinen und mittleren Unternehmen wird eine zusätzliche Anpassungsfrist bis zum 30. Juni 2025 eingeräumt.

Ein weiterer Unterschied zwischen der EUDR und der EUTR ist, dass die EUDR nun auch Einzelpersonen neue Möglichkeiten zur Durchsetzung einer strengeren Rechtsdurchsetzung einräumt. Bisher waren ausschließlich die zuständigen nationalen Behörden (in Deutschland die Landesbehörden) für die Durchsetzung zuständig. Nun können sich auch natürliche oder juristische Personen, auch außerhalb der EU, an diese Behörden wenden, wenn sie Zweifel an der Einhaltung der Verordnung durch Unternehmen haben. Insbesondere können Einzelpersonen die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen der zuständigen Behörden im Rahmen dieser Verordnung gerichtlich überprüfen lassen.

Praktische Konsequenzen für Verwaltung und Waldbesitz

In der Praxis wird der Holzverkauf deutlich umständlicher. Die Dokumentationspflichten für Waldbesitzer beziehen sich auf die Holzmenge und den wissenschaftlichen Namen der gefällten Baumart. Darüber hinaus ist eine Geolokalisierung erforderlich, d.h. die Angabe der Koordinaten des Ortes, an dem die Bäume gefällt wurden. Schließlich ist eine Erklärung erforderlich, dass alle Sorgfaltspflichten bei der Holzernte und Vermarktung eingehalten wurden. Diese Daten müssen an eine EU-Datenbank gemeldet werden, um die für den Handel notwendige Referenznummer zu erhalten. Ohne Referenznummer kein Verkauf!

Abhängig von der Einstufung der einzelnen Länder (sog. Benchmarking) sind die zuständigen Behörden (in NRW der Landesbetrieb Wald und Holz) verpflichtet, jährlich eine bestimmte Anzahl von Marktteilnehmern zu kontrollieren. Sollte Deutschland in die niedrigste Risikoklasse eingestuft werden (wofür es derzeit weder eine Bestätigung noch eine Garantie gibt, dass die Einstufung rechtzeitig vor dem Start erfolgt), müssen pro Jahr die Transaktionen von 1% der Marktteilnehmer überprüft werden. Die Stichproben werden von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung den Landesbehörden zugewiesen. Dabei werden Kleinstwaldbesitzer und Großwaldbesitzer (wie z.B. der Staatswald NRW), gleichbehandelt.

Von vielen Seiten (Bundesrat, Agrarministerkonferenz, Verbände der Forst- und Holzwirtschaft etc., aber auch die Nahrungsmittelwirtschaft) wird seit längerem gefordert, den Start der EUDR zu verschieben bzw. die ganze Verordnung zu überarbeiten, um eine unbürokratische Umsetzung in Ländern zu ermöglichen, in denen nachweislich keine Entwaldung stattfindet.

Zuletzt hat der Bundesrat am 17. Mai 2024 eine Entschließung gefasst, die auch auf die bisher nicht funktionierenden Mechanismen in der Anwendung hinweist, die in der von der EU-Kommission durchgeführten Testphase deutlich wurden.

Auch die Agrarministerkonferenz hat in ihren Sitzungen im März und Mai den Bund aufgefordert, sich in Brüssel für Erleichterungen einzusetzen.

Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich die EUDR als ein Instrument, um die globale Entwaldung in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig setzt sie sich gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten aktiv bei der Kommission für eine verhältnismäßige und effiziente Umsetzung der EUDR ein. Aus Sicht der Bundesregierung ist es entscheidend, dass die EU-Kommission alle Vorarbeiten rechtzeitig abschließt, um eine reibungslose Umsetzung der EUDR zu gewährleisten.

Eine Verschiebung der Umsetzungsfristen der Verordnung könnte aber nach Auffassung der Bundesregierung aufgrund ihrer Verankerung im Rechtstext jedoch nur durch ein erneutes ordentliches Gesetzgebungsverfahren erfolgen. Die Bundesregierung befürchtet dadurch einen erheblichen Rückschlag im Kampf gegen die weltweite Entwaldung.

Der Bund sieht es bereits als erhebliche Erleichterung gegenüber Ländern an, die nicht in die niedrigste Risikostufe eingestuft sind, dass für Primärerzeuger außer der Sorgfaltserklärung und der Geolokalisierung keine weiteren Dokumentationspflichten bestehen. In Bund-Länder-Arbeitsgruppen wird an einer möglichst praxisgerechten Umsetzung der EUDR gearbeitet. Ebenso arbeitet der Bund an einem Ausführungsgesetz (vgl. HolzSiG zur EUTR), welches die Umsetzung auf nationaler Ebene regelt. Weitere Handreichungen mit Beispielen für verschiedene Szenarien (z.B. Vermarktung durch WB selber; Vermarktung durch den Zusammenschluss; Vermarktung über Selbstwerbung) sollen bei der praktischen Arbeit helfen.

Wie die Verordnung konkret anzuwenden ist und wo sie im Verkaufsprozess ansetzt, ist bisher jedoch noch unklar. Dies betrifft z.B. die verschiedenen Holzvermarktungsorganisationen im Bereich des Kleinprivatwaldes oder auch die Frage, ob eine Geolokalisierung nicht auch nur für ein Revier oder eine FBG ausreichen könnte.

Unabhängig von der oben dargestellten Kritik an den einzelnen Regelungen ist auch festzustellen, dass das Zeitfenster bis zum geplanten Start am 30.12.2024 immer kleiner wird. Bis dato sind noch sehr viele Fragen ungeklärt, z.B. IT-Fragen, Datenschutz, Aufwand für die Verwaltungen etc. Der kritischste Punkt ist das immer noch fehlende Benchmarking der Länder. Sollte dies nicht rechtzeitig erfolgen, werden alle Länder zunächst in die mittlere Risikoklasse eingestuft, d.h. Deutschland wird z.B. mit Brasilien oder dem Kongo gleichgesetzt. Im schlimmsten Fall muss ab dem 30.12.2024 eine Verordnung befolgt werden, mit der weder die Marktteilnehmer noch die zuständigen Behörden rechtssicher arbeiten können.

Autor: Roland Daamen, EU-Beauftragter der Abteilung Forsten, Holzwirtschaft, Jagd des Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW


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