Bauen mit Birke – der Weg in die Norm
Das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft des Landesbetriebs Wald und Holz Nordrhein-Westfalen forscht seit 2020 zur Verwendung von Birke für das Bauen mit Holz und die Bioökonomie in NRW. Im Laufe der Forschung wurden verschiedene Eigenschaften des Birkenholzes untersucht. In die Praxis umgesetzt, steht nun ein zweistöckiges Tiny House aus Birke im Zentrum HOLZ in Olsberg. Damit ist die Forschung nicht beendet. Ergebnisse des aktuellen Projekts „HolzSysteMe“ sollen Grundlagen für normative Regelungen schaffen.
Bislang ist die deutsche Holz- und Sägeindustrie auf Nadelholz spezialisiert. Laut Thünen-Institut ist mehr als 90 Prozent des stofflich genutzten Holzes Nadelholz. Langfristig wird jedoch weniger heimisches Nadelholz zur Verfügung stehen. Deshalb untersucht das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft die Verwendung von Laubholz. Aktuell im Fokus: die Birke. Insgesamt gibt es in NRW durch Sturm, Dürre und den Borkenkäfer 142.000 ha, also rund 200.000 Fußballfelder Schadfläche. Die Pionierbaumart Birke besiedelt als eine der Ersten die vielen Kahlflächen und das von ganz allein. Einmal angeflogen und gekeimt, wächst sie schnell und trotzt dabei Frost, Hitze und Trockenheit. Für den Forstexperten Norbert Tennhoff aus dem Team Waldbau ist klar: Die Birke kann mehr als nur Vorwald sein. Er empfiehlt, die Birke nicht sich selbst zu überlassen. Erfahrungen auf Kyrill-Flächen zeigen, dass durch entsprechende Pflegemaßnahmen sägefähiges Birkenstammholz produziert werden kann. Bei passendem Standort und konsequenter Pflege können Birken bei einem Bestandsalter von 60 Jahren einen Zieldurchmesser zwischen 45 und 50 cm erreichen.
Birkenholz ist elastisch und zäh. In der Holzverwendung kann Brettschichtholz (BSH) aus Birke eine gute Alternative für BSH aus Fichte bieten. Denn Birke-BSH zeichnet sich durch eine hohe Tragfähigkeit aus, was sich auch in dem im Vergleich zur Fichte höheren Biege-E-Modul zeigt.
Holzart | Rohdichte | Biegefestigkeit | Biege-E-Modul (Tragfähigkeit) |
Fichte* | ca. 0,47 g/cm³ | ca. 78 N/mm² | ca. 11.000 N/mm² |
Birke** | ca. 0,66 g/cm³ | ca. 120 N/mm² | ca. 14.000 N/mm² |
* Wagenführ & Wagenführ (2021); ** DIN 68364 (2003)
Auch in der Praxis kann sich die Birke beweisen, zum Beispiel mit dem zweistöckigen Tiny House aus Birke, das Studierende der FH Aachen als Projektarbeit entworfen, berechnet und im Zentrum Holz in Olsberg realisiert haben. Ein anschauliches Best-Practice-Beispiel ist außerdem der Neubau der Kreisverwaltung Mainz-Bingen. Mit einer Konstruktion aus Birke-BSH bietet das Gebäude auf einer Grundfläche von 5.000 m², das ist etwas mehr als die Hälfte der Grundfläche des Kölner Doms, Büro- und Verwaltungsräume.
Um sich in NRW weiter zu etablieren, muss die Holzart Birke in die Norm für Bauschnittholz und in den Prüfungs- und Auswertungsnormen für die visuelle und maschinelle Sortierung aufgenommen werden. Ohne Einstufung in die Festigkeitsklassen ist in Europa keine Herstellung von Birken-Brettschichtholz oder Birken-Brettsperrholz nach Norm möglich.
Genau dazu forscht das Team Holzwirtschaft des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft aktuell im FNR-Verbundprojekt „HolzSysteMe – Holzbau-Systemlösungen für die Mehrgeschossigkeit“. In dem Projekt nehmen die Forschenden die Verwendung von Birke noch genauer in den Blick, untersuchen die bemessungsrelevanten Eigenschaften und forschen zu Systemlösungen für Bauteile und Anschlüsse unter der Verwendung von Laubholz. Ziel ist es, Grundlagen für zukünftige, normative Regelungen zu schaffen.
Am Zentrum für Wald und Holzwirtschaft haben Forschende dazu bereits Birkenbestände aus vier verschiedenen Standorten in NRW und Niedersachsen ausgewählt, das Rundholz nach der Rahmenvereinbarung für den Rohholzhandel (RVR) in Anlehnung an die Buche sortiert und eingeschnitten. Die relevanten Eigenschaften wurden bestimmt und die Birkenlamellen für die weitere Verarbeitung eingeordnet.
Jetzt steht die Herstellung von Prüfkörpern aus Vollholz und Brettschichtholz für weiterführende Versuche an. Die Versuche zur Ermittlung fehlender bemessungsrelevanter Kennwerte werden in den Laboren der FH Aachen durchgeführt.
Im „HolzSysteMe“-Projekt arbeitet eine überregionale Projektgruppe an jeweils spezifischen Aufgabenstellungen. Dazu gehören die Fachhochschule Aachen als Projektkoordinator, die NR Ingenieurgesellschaft Holztragwerke mbH, die PIRMIN JUNG Deutschland GmbH, Adams – Holzbau, sowie das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft – Wald und Holz NRW.
Für den praxisnahen Wissenstransfer bietet das Team Holzwirtschaft in Kooperation mit dem Team Waldbau am Zentrum HOLZ in Olsberg auf Nachfrage interessierten Gruppen von Waldbesitzenden und Holzverwendern Führungen zur Pflege und Verwendung der Birke an.
Ansprechpersonen
„HolzSysteMe“-Projekt
Dr. Stefanie Wieland
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Projekt „HolzSysteMe“
Tom Jansen
Pflege der Birken
Norbert Tennhoff
Weiterführende Infos
Hybrid-Fachtagung „Neue Holzverwendungen: Birke für das Bauen mit Holz und die Bioökonomie in NRW“
Seminar „Pflege und Potenziale der Baumart Birke“ im Forstlichen Bildungsprogramm (S. 26)
Waldwissen-Artikel: „Die Birke: Unkraut oder Alternative?“
Waldwissen-Artikel: Potenziale der Pionierbaumart Birke beim Bauen mit Holz“