Mit Paintballs im Einsatz für die Wissenschaft
Eichenprozessionsspinner bekämpfen, Insektenvielfalt schützen
Innovatives Forschungsprojekt in NRW läuft im zweiten Jahr
Forscherinnen und Forscher von Wald und Holz NRW arbeiten auch in diesem Jahr weiter daran eine Methode zu entwickeln, die den Eichenprozessionsspinner gezielt und effektiv bekämpft und gleichzeitig die Insektenvielfalt schützt. Ihr Forschungsansatz: Durch das Ausbringen großer Mengen an Pheromonen (Sexuallockstoffe) mithilfe von Paintball-Markierern werden die Eichenprozessionsspinner an der Vermehrung gehindert.
Paintballs enthalten Pheromonpaste
Wichtige Neuentwicklung dabei: Eine neuartige Paste, die eine hohe Konzentration des Eichenprozessionsspinnerpheromons enthält und dieses langsam abgibt. Zum Ausbringen und Verteilen der Paste in der Baumkrone – wo die Paarung der Falter stattfindet – werden die bekannten Paintball-Markierer verwendet. Beim Beschuss der Kronenäste platzen die Paintballs auf und die klebrige Paste bleibt an der Rinde der Äste haften. Dabei kommen nur Pheromone zum Einsatz, die ausschließlich die zu bekämpfende Insektenart beeinflussen.
Eichen beherbergen eine besonders große Anzahl verschiedener heimischer Insektenarten. Der Eichenprozessionsspinner, eine Schmetterlingsart, ist einer von ihnen. Auch er lebt an Eichenbäumen. Doch von den Raupen des Eichenprozessionsspinners geht eine Gesundheitsgefährdung für den Menschen aus, weil ihre Brennhaare zu allergischen Reaktionen an den Augen, der Haut und den oberen Atemwegen führen können. Deshalb muss der Eichenprozessionsspinner insbesondere im städtischen Umfeld oftmals bekämpft werden.
Forscher in ganz NRW unterwegs
Dafür sind sie auch in diesem Jahr in verschiedenen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen unterwegs. Sie suchen Flächen auf, an denen es aktuell einen Befall mit Eichenprozessionsspinnern gibt und führen dort die Behandlung, also den Beschuss mit den Pheromon-Paintballs, durch. In der Nähe verbleibt eine möglichst ähnliche Fläche als Kontrollfläche unbehandelt, um im nächsten Jahr den Erfolg der Behandlung überprüfen zu können.
Verwirr-Methode: Paintball-Beschuss verteilet Pheromone in Baumkronen
Die Forscherinnen und Forscher vom Zentrum für Wald und Holzwirtschaft NRW möchten deshalb gemeinsam mit Partnern aus Schweden und England einen Weg finden, den Befall von Eichenprozessionsspinnern mit der sogenannten „Verwirrmethode“ zu bekämpfen – bei der die mit Pheromonen gefüllten Paintballs zum Einsatz kommen.
Die verwendeten Paintballs werden in einer Paintball-Fabrik hergestellt, sie haben eine Gelatinehülle und sind biologisch abbaubar. Äußerlich sind sie nicht von handelsüblichen Paintballs zu unterscheiden.
Wie 100.000 Weibchen: Paintballs haben es in sich
„Aber der Inhalt hat es in sich“, erklärt Marion Jacoby vom Team Wald- und Klimaschutz im Zentrum für Wald und Holzwirtschaft in Arnsberg. „Die Konzentration des Pheromons in einer einzelnen Kugel entspricht in etwa der Menge, die 100.000 weibliche Falter pro Tag abgeben würden. In dieser Pheromonwolke sind die männlichen Falter dermaßen irritiert, dass sie es nicht schaffen ein Weibchen für die Paarung zu finden.“, sagt Marion Jacoby weiter.
Insgesamt sollen in diesem Jahr 8.000 Kugeln in die Bäume gebracht werden. Das passiert in nur wenigen Tagen. Denn die Pheromone müssen in der Baumkrone wirken, wenn die Falter aus den Gespinnstnestern ausfliegen. Das ist genau jetzt, Mitte bis Ende Juli der Fall. Außerdem erheben die Forschenden Daten zum Befall vor und nach der Behandlung. In der zweiten Hälfte dieses Jahres können sie die neuen Daten mit den aus dem letzten Jahr vergleichen und auswerten, wie erfolgreich die Methode ist.
Kurzfristig organisierter Einsatz in Ostwestfalen
Aufgrund des kurzfristig günstigen Wetters kam die neuartige Methode im Gemeindegebiet der Stadt Espelkamp etwas früher als geplant am Donnerstag, den 11. Juli 2024 zum Einsatz.
Die Eiche ist eine der Hauptbaumarten im Stadtgebiet Espelkamp und in der Region. Sie scheint mit den klimatischen Veränderungen der letzten Jahre besser zurecht zu kommen als andere Baumarten, teilt die Stadtverwaltung mit. „In diesem Jahr konnte eine Zunahme an Befall mit Eichenprozessionsspinnern, in Verbreitung und Intensität, im Stadtgebiet Espelkamp verzeichnet werden. Daher unterstützen wir die Forschung von Wald und Holz NRW sehr gern. Schlussendlich erhoffen wir uns neue Erkenntnisse für unser Management gegen den Eichenprozessionsspinner“, sagt Daniela Niederdeppe von der Gemeinde Espelkamp.
Der Eichenprozessionsspinner ist ein wärmeliebendes Insekt. Deshalb hatte er sich in den letzten Jahren klimawandelbedingt in NRW immer weiter ausgebreitet. In diesem Jahr scheint die Befallsintensität in NRW insgesamt zurück zu gehen. Trotzdem kommt er in den bisherigen Befallsgebieten zumeist weiter vor und lokal kann es– aus bisher nicht abschließend geklärten Gründen – auch zu einem starken Befall kommen.