Aus zwei mach eins
Wie seltene Wildbirnen vermehrt werden - Projekt sichert Fortbestand der heimischen Baumart
Münster, 24.04.2025 – In den Wäldern Nordrhein-Westfalens ist die Wildbirne nur noch selten zu finden, oft versteckt in alten Hecken oder an Waldrändern. Als wärme- und lichtbedürftige Baumart, die auf trockeneren Standorten gut zurechtkommt, ist sie eine vielversprechende Alternative im Klimawandel. In einem Projekt des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft von Wald und Holz NRW werden Wildbirnen im Gewächshaus vermehrt. Das Team sichert so das seltene Saatgut dieser Baumart, das angesichts des Klimawandels dringend gebraucht wird.
Wertvolle Baumart im Klimawandel
Die Wildbirne ist eine seltene heimische Baumart, die in NRW nur noch selten vorkommt. Im Wald wird sie oft von stattlichen Waldbäumen verdrängt. Sie nehmen ihr das Licht und den Platz. Dabei kann die Urform unserer heutigen Kulturbirne die Vielfalt in unseren nordrhein-westfälischen Wäldern erhöhen. Das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft in Arnsberg hat deshalb ein Projekt gestartet, mit dem die Saatgutversorgung der seltenen Baumart gesichert werden soll.
Dr. Marius Zimmermann ist Leiter des Sachgebiets Forstgenetik und -vermehrungsgut im Zentrum von Wald und Holzwirtschaft: „Wir haben bei uns im Gewächshaus viele Wildbirnen aus ganz NRW vermehrt. Damit möchten wir eine Samenplantage begründen, um die Versorgung mit hochwertigem Saatgut bei dieser seltenen Baumart sicherzustellen. Das ist ein übliches Verfahren in der Forstgenetik. Im Zentrum für Wald und Holzwirtschaft machen wir das nicht nur mit der Wildbirne, sondern wir haben in diesem Jahr auch Bergahorn und Wildapfel veredelt.“
Aus zwei mach eins
Über einen längeren Zeitraum wurden zunächst Wildbirnen in verschiedenen Wäldern Nordrhein-Westfalens identifiziert und deren Standorte markiert. Das Team rund um Dr. Marius Zimmermann hat anschließend im vergangenen Winter junge, in der Regel einjährige, Äste von den markierten Wildbirnen abgeschnitten. Expertinnen und Experten sprechen dabei von sogenannten „Edelreisern“. Im Gewächshaus setzen sie den jungen Ast auf einen Baum der gleichen oder einer nah verwandten Art, der als Unterlage dient. Ein Veredelungsband hält beide Äste zusammen und schützt die Schnittstelle. Nach wenigen Wochen wachsen beide Teile zusammen. Aus der Verbindung entsteht ein neuer Baum, der das genetische Material der ausgewählten Wildbirne in sich trägt.


Vorteile der Veredelung
Warum wählt man diesen komplexen Weg der Vermehrung? Dr. Marius Zimmermann: „Die Veredelung ist der schnellste Weg, um Pflanzen mit den wertvollen genetischen Eigenschaften der Mutterbäume zu erhalten. Im Wald bilden die älteren, vereinzelt stehenden Wildbirnen nur unregelmäßig Früchte aus. Die Qualität des Saatguts ist häufig nicht besonders gut. Durch die Veredelung erhalten wir außerdem Pflanzen, die früher in der Lage sind, selbst Früchte auszubilden.“
Ziel des Projekts
Mit den verschiedenen Wildbirnen aus NRW soll in diesem Herbst eine Samenplantage begründet werden. Dazu werden auf einem geeigneten Standort über 100 von den seltenen Wildbirnen aus ganz Nordrhein-Westfalen gepflanzt. Bei der Pflanzung und anschließenden Pflege liegt der Fokus darauf, hochwertiges Saatgut herzustellen – also breite Pflanzabstände und niedrige Kronen, wie bei einer Streuobstwiese. Durch die konzentrierte Ansammlung von Wildbirnen und die Verwendung von veredelten Pflanzen kann das Team hier in einigen Jahren das erste Saatgut mit einer hohen genetischen Vielfalt ernten. Ein Teil des Saatguts bleibt bei Wald und Holz NRW und wird für Generhaltungsprojekte verwendet. Ein anderer Teil wird Waldbesitzenden und Forstbaumschulen zum Verkauf angeboten.
Bäume mit einer solchen Qualität und Vielfalt werden angesichts des Klimawandels und den damit verbundenen Herausforderungen für die Wälder Nordrhein-Westfalens dringend gebraucht. Ein wahrer Schatz also, den es zu erhalten lohnt.