Historische Waldnutzung für eine artenreiche Zukunft
Waldnaturschutzprojekt Dezember 2023: Die Rückkehr des Mittelwaldes
In den Villewäldern zwischen Köln und Bonn werden heute wieder mehrere Eichen-Mischwälder als Mittelwald bewirtschaftet. Eine besonders hohe Artenvielfalt verbinden die meisten Menschen mit Waldwildnis – ein Wald, der möglichst lange vom Menschen unbeeinflusst blieb. Aber auch in einem sogenannten Mittelwald ist die Artenvielfalt besonders hoch, der Einfluss des Menschen allerdings auch. Wie passt das zusammen?
Im Mittelwald wachsen besonders viele und im besten Fall auch besonders alte Eichen. Daneben stehen zum Teil sehr junge Eichen und andere Laubbaumarten, wie Linden und Hainbuchen.
Einen Mittelwald zu bewirtschaften bedeutet, diese vielfältigen Strukturen zu fördern. Die Eichen stehen relativ weit auseinander und bleiben möglichst lange stehen. So können sie möglichst große, ausladende Kronen entwickeln und es fällt viel Licht in die untere Baumschicht. Die jungen Linden und Hainbuchen werden regelmäßig nach etwa 20 Jahren „auf den Stock gesetzt“, also gefällt. Dadurch schließt sich das Blätterdach nicht komplett und mehr Licht erreicht den Boden. So wachsen in Bodennähe mehr Sträucher und andere Pflanzen. Die Linden und Hainbuchen sind dafür bekannt, dass sie zu großen Teilen aus den Wurzelstöcken wieder neu Austreiben. Das ist auch aus wirtschaftlicher Sicht positiv. Diese besonders abwechslungsreiche Waldstruktur bietet besonders vielen Organismen einen Lebensraum. Das Geheimnis ist der kleinräumige Wechsel aus Licht und Schatten. In den Villewäldern stehen heute noch viele alte Stieleichen. Einige von ihnen sind Zeitzeugen. Vor allem seit dem späten Mittelalter war der Mittelwald als Waldwirtschaftsform weit verbreitet. In den Villewäldern hat Mittelwaldwirtschaft bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts nachweislich stattgefunden.
„Insbesondere die lichtumfluteten Mittelwaldeichen mit ihren ausladenden Baumkronen sind von hoher Bedeutung für das Vorkommen zahlreicher Insekten. Davon profitieren auch besonders schützenswerte Arten wie Mittelspecht, Waldfledermäuse und Hirschkäfer, die in den Mittelwäldern bevorzugt auf Nahrungssuche gehen oder ihre Jungen aufziehen. In Natura 2000-Schutzgebieten, die zum Schutz von Eichenwäldern eingerichtet wurden, bietet der Mittelwald somit eine geeignete Wirtschaftsform zum Erreichen und zur Sicherung der Schutzziele. Gleichzeitig wird eine kulturhistorisch bedeutsame Form der Waldnutzung für die Menschen in der Region wieder erlebbar. Ein großer Gewinn für alle – Mensch und Natur,“ erklärt Klaus Striepen, Team Waldnaturschutz, Wald und Holz NRW.
Auf insgesamt 40 Hektar – also 400.000 m² – wird der Wald wieder als Mittelwald bewirtschaftet. Es sind insgesamt acht Waldflächen, die sich auf mehrere geschützte Wälder verteilen. So entsteht ein vielfältiges Mosaik für Schutz und Widerherstellung der biologischen Vielfalt. Die Reaktivierung der Mittelwaldbewirtschaftung ist ein Teil des Projektes „Villewälder – Wald- und Wasserwelten“, das im Rahmen des EU-Programms LIFE+ von 2014 bis 2020 gefördert worden ist.
Weiterführende Informationen zum Projekt „Villewälder – Wald und Wasserwelten“ sind hier zu finden: villewaelder.de
Waldnaturschutzprojekte des Monats
Wald und Holz NRW berichtet jeden Monat über ein Naturschutzprojekt in NRW, weil der Verlust der Artenvielfalt neben dem Klimawandel die größte Herausforderung der Gegenwart ist. Auf der Weltnaturschutzkonferenz in Montréal hat sich Deutschland zusammen mit fast 200 Staaten verpflichtet mehr in die Biodiversität zu investieren.
Die Wälder in Nordrhein-Westfalen bedecken 27 Prozent der Landesfläche und spielen beim Schutz bedrohter Arten eine zentrale Rolle. Wälder sind neben den Mooren die ursprünglichsten Lebensräume, die ohne den Einfluss der Menschen fast das ganze Land prägen würden. Gegen den allgemeinen Trend nimmt der Lebensraum Wald in Nordrhein-Westfalen langsam zu, auch wenn der Klimawandel aktuell für einige Rückschläge sorgt. Aber wo Wald war, wird wieder Wald wachsen. Darum kümmern sich auch die Försterinnen und Förster von Wald und Holz NRW. Ausgestorbene Tierarten wie Uhu, Schwarzstorch, Kolkrabe und Biber sind wieder in die Wälder zurückgekehrt. Die Bestände extrem seltener Arten wie der Wildkatze entwickeln sich sehr positiv. Die Artenvielfalt nimmt bei den Waldvögeln kontinuierlich zu. Zahlreiche positive Botschaften, die zeigen, dass der eingeschlagene Weg der Richtige ist. Das Engagement für die Biodiversität äußert sich auch in vielen kleineren Projekten, die von den Försterinnen und Förstern von Wald und Holz NRW fachlich, konsequent und mit Liebe zur Natur durchgeführt werden. Jeden Monat zeigt der Landesbetrieb Wald und Holz NRW mit einem Beispiel, wie die Försterinnen und Förster den Verlust der Artenvielfalt aufhalten und Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten schaffen, wiederherstellen, pflegen und schützen.