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Naturwaldzellen in Nordrhein-Westfalen
50 Jahre Naturwaldforschung in Nordrhein-Westfalen
Im Jahre 1971 begann die Ausweisung der Naturwaldzellen in Nordrhein-Westfalen. Inzwischen existiert ein Netzwerk von 75 Naturwaldzellen, in denen die natürlichen Lebensabläufe unserer Wälder erforscht werden. Zu diesem besonderen Anlass trafen sich im Mai 2022 auf Einladung von Wald und Holz NRW Expertinnen und Experten aus Waldforschung, Forst- und Naturschutzpraxis zu der Fachtagung „50 Jahre Naturwaldzellen in Nordrhein-Westfalen“ im Zoologischen Forschungsmuseum Alexander König in Bonn. Die Veranstaltung beleuchtete 50 Jahre natürliche Waldentwicklung in nordrhein-westfälischen Wäldern und bot die Möglichkeit zur Diskussion über zukünftige Forschungsfelder der Naturwaldforschung.
Forschungskonzept für die Naturwaldzellen
In Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus Forst und Naturschutz hat Wald und Holz NRW ein neues Forschungskonzept für die nordrhein-westfälischen Naturwaldzellen erarbeitet. Es war das Ziel, die Naturwaldforschung an neue gesellschaftlichen Fragen anzupassen, neue wissenschaftlichen Methoden zu berücksichtigen sowie die Aktivitäten mit anderen Prozessschutzflächen in NRW und anderen Bundesländern stärker zu verzahnen. Gleichzeitig sollen die langjährigen Zeitreihen weitergeführt werden. Das Konzept wurde im Mai 2022 auf der Tagung „50 Jahre Naturwaldzellen in Nordrhein-Westfalen“ vorgestellt.
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Auswahlkriterien und Stand der Ausweisung
Zur Ausweisung als Naturwaldzelle kommen nur Bestände in Betracht, deren Artenzusammensetzung als "naturnah" angesehen wird. "Naturnähe" ist dann anzunehmen, wenn bestandesgeschichtliche Erkenntnisse und strukturelle Gegebenheiten (Altersstruktur, Sozialstruktur, Zusammensetzung der Bodenvegetation u.a.) auf eine geringe direkte Beeinflussung durch den Menschen hinweisen.
Für die räumliche Verteilung wird angestrebt, in jedem der sieben forstlichen Wuchsgebiete die typischen Standorte bzw. Standortmosaike durch eine Naturwaldzelle zu repräsentieren. In der Regel sind die Naturwaldzellen in große Staatswaldflächen eingebunden und finden sich häufig in waldreichen Landschaften wie Rothaargebirge, Eifel oder Weserbergland. Neun der 75 Naturwaldzellen liegen im Körperschaftswald und acht im Privatwald.
Die Größe der einzelnen Bestände variiert zwischen 1,4 Hektar und 110 Hektar, wobei knapp die Hälfte der Naturwaldzellen in die Größenklasse 11 bis 20 Hektar einzuordnen ist. Die Gesamtfläche der Naturwaldzellen in Nordrhein-Westfalen beträgt rund 1.685 Hektar.
Hinsichtlich der zeitlichen Entwicklung der Naturwaldzellenausweisung gab es zu Beginn des Programmes einen starken Impuls. Alleine 46 der 75 Naturwaldzellen wurden in den 1970er Jahren aus der Taufe gehoben. Später nahm die Zahl der jährlichen Ausweisungen ab. Inzwischen repräsentieren die Naturwaldzellen den größten Teil der in Nordrhein-Westfalen vorkommenden Standorte mit ihren natürlichen Waldgesellschaften und Lebensgemeinschaften. Sie umfassen ein breites Spektrum, das von weit verbreiteten mittleren und guten Böden bis hin zu seltenen und extremen Standorten reicht. Entsprechend werden für die Zukunft kaum noch Neuausweisungen angestrebt. Zielsetzung ist vielmehr, die Erweiterungsmöglichkeiten der bestehenden Naturwaldzellen zu überprüfen, deren Flächengröße noch unter den als Mindestgröße betrachteten 20 ha liegt.
Bedeutung für den Artenschutz
Waldbestände in naturnahem Zustand, die sich ungestört entwickeln, erfüllen in unserer intensiv genutzten Kulturlandschaft die Funktion ökologischer Regenerationsräume. Die so genannte Zerfallsphase uralter Waldbestände, die es im Wirtschaftswald wegen der intensiven Holznutzung häufig nicht mehr gibt, kann auf diese Weise wieder entstehen. In den Naturwaldzellen ist daher eine außergewöhnliche Vielfalt an Kleinlebewesen, Pflanzen, Pilzen, Insekten, aber auch höheren Tieren zu finden.
Das Vorkommen vieler Rote-Liste-Arten konnte im Rahmen der Spezial-Untersuchungen nachgewiesen werden, so z.B. der vom Aussterben bedrohte (RL 1) Rotbeinige Faulholzkäfer (Triplax rufipes) in der Naturwaldzelle Petersberg oder die bundesweit als extrem selten (RL R) eingestufte Pilzart Üppiger Olivschnitzling (Simocybe sumptuosa) in der Naturwaldzelle Nonnenstromberg. Besonders "spektakuläre" Tierarten sind in den Naturwaldzellen allerdings nicht zu erwarten. Das Vorkommen von z.B. Wildkatze, Luchs oder Wolf hat mit Naturwaldzellen nichts zu tun. Es sind hauptsächlich die Kleinlebewesen, die vor allem vom reichhaltigen Totholz- und Strukturangebot der Naturwaldzellen profitieren. Wenn sie auch unscheinbar erscheinen mögen, so ist ihre Bedeutung für ein im Gleichgewicht befindliches Ökosystem oftmals immens groß! Deshalb ist es hier ganz besonders wichtig, dem schleichenden Artensterben entgegenzuwirken und die letzten Regenerationsräume zu sichern und auszubauen. Im Gegensatz zu anderen Schutzgebieten sind gezielte Maßnahmen zum Erhalt oder zur Förderung bestimmter Arten jedoch grundsätzlich ausgeschlossen. Artenschutz erfolgt nur indirekt über den Biotopschutz.
Verhaltensregeln für Besucherinnen und Besucher
Alle Naturinteressierten sind herzlich eingeladen, die grundsätzlich frei zugänglichen Naturwaldzellen zu besuchen. Im Sinne der Zielsetzung des Naturwaldzellenprogrammes ("natürliche Entwicklung ohne menschliche Eingriffe") bitten wir Sie aber bei Ihrem Besuch folgendes zu beachten:
Verzichten Sie bitte darauf
- markierte Wege oder Fußpfade zu verlassen,
- außerhalb gekennzeichneter Wege zu reiten oder mit dem Fahrrad zu fahren,
- Abfall wegzuwerfen,
- Messinstrumente, Grenzmarken usw. zu berühren bzw. zu verändern,
- Holz, Pilze oder Früchte zu entnehmen,
- Pflanzen oder Teile davon einzubringen, zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
- Tiere einzubringen, ihnen nachzustellen, sie mutwillig zu beunruhigen, zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen, Nester, Brut- oder Wohnstätten zu entfernen oder zu beschädigen.
Beachten Sie bitte auch, dass in Naturwaldzellen in besonderer Weise mit herabfallenden Ästen und umstürzenden Bäumen zu rechnen ist! Das Betreten erfolgt auf eigene Gefahr!